Erst vor wenigen Wochen ist Emilia in die Schule gekommen, hat an ihrem ersten Schultag stolz wie Bolle ihren niegelnagelneuen Schulranzen auf dem Rücken getragen und die gut befüllte Schultüte im Arm gehalten. Das alles war sehr aufregend und natürlich auch ein bisschen unheimlich, denn ein Schulkind zu sein ist eben etwas ganz anderes als ein Kindergartenkind. Plötzlich tauchen viele unterschiedliche Erwartungen auf, sowohl bei den Eltern, als auch bei den Kindern selbst, weil ihnen oft genug gesagt wurde, dass nun bald der Ernst des Lebens losgeht, worunter sich ein ABC-Schütze allerdings kaum etwas vorstellen kann. Aber dass es anders als im Kindergarten wird, das hat wohl jedes Kind verinnerlicht. Lesen und Schreiben und Rechnen soll man nun lernen, wie immer das vor sich gehen soll. Verblüfft stellen Erstklässler plötzlich fest, dass manche ihrer neuen Klassenkameraden bereits lesen können, während andere noch nicht mal richtig wissen, wie man einen Stift in der Hand hält. Aha – da gibt es also Unterschiede. Und schon fängt es an mit dem Vergleichen. Wer kann was und was kann ich selbst, bin ich schlechter, besser, schneller, langsamer, ordentlicher usw. als meine Banknachbarn?
Alles braucht seine Zeit
Sich zu vergleichen, ist normal. Wenn der Vergleich aber in harter Konkurrenz endet, hört der Spaß auf. Spätestens hier kommen die Eltern ins Spiel. Sie können nämlich in beide Richtungen Einfluss nehmen: Den Konkurrenzdruck erhöhen („Samuel, gell du versprichst der Mama, dass du nur gute Noten mit nach Hause bringst?“) oder ihn verringern („Mach dir keine Sorgen, das mit dem Lesen klappt schon noch!“). Doch selbst wohlmeinende Eltern können sich dem Leistungsdruck oft nur schwer entziehen. Schließlich soll das Kind mal aufs Gymnasium gehen, denn ohne Abitur scheint das Leben den Bach runter zu gehen und die spätere Existenz bedroht zu sein. Was natürlich nicht so ist. Wer sich heute entschließt, einen Handwerksberuf zu erlernen, hat beste Karten in der Hand, denn in nahezu allen Handwerksberufen herrscht Arbeitskräftemangel. Es gibt also auch ein erfolgreiches Leben ohne Abitur. Gerade in Deutschland gibt es zudem sehr viele Möglichkeiten, sich auch später noch fortzubilden und Schulabschlüsse nachzuholen. Was Hänschen nicht gelernt hat, kann sich Hans also durchaus noch aneignen.
Ohne Druck lernt es sich besser
Aber bis dahin ist für Emilia und all die frisch gebackenen Erstklässler noch viel Zeit. Bei ihnen geht es jetzt vor allem darum, möglichst viel Freude am Unterricht zu erleben, denn wer gerne in die Schule geht, lernt wesentlich besser, ist damit motivierter und natürlich auch fröhlicher. Auch hier spielt das Verhalten der Eltern eine wichtige Rolle. Zeigen Sie sich interessiert, aber fragen Sie Ihr Kind nicht nach seinem Schulalltag aus – denn wer fühlt sich schon gerne kontrolliert? Gerade am Anfang ist es natürlich wichtig darauf zu achten, dass die Hausaufgaben auch wirklich alle erledigt werden, denn viele Erstklässler müssen sich erst mal daran gewöhnen, dass nun tägliche Pflichten auf sie zukommen. Wenn das Thema Schule jedoch alle Gespräche zwischen Eltern und Kindern dominiert, entsteht enormer Druck. Oft lohnt es sich, das Schulverhalten Ihres Kindes erst mal eine Weile interessiert zu beobachten und nur dann einzugreifen, wenn etwas grundsätzlich schief zu laufen droht. Viele Kinder brauchen eine gewisse Zeit, bis sie sich daran gewöhnt haben, sich selbst zu organisieren. Und nur weil das Nachbarskind darin schon besser ist, als ihr eigenes, muss niemand in Panik verfallen. Jedes Kind ist anders, bringt unterschiedliche Begabungen mit, hat individuelle Konzentrationsphasen und lernt somit schneller oder langsamer. Freuen Sie sich mit Ihrem Erstklässler auch über kleine Erfolge und drohen Sie bitte nicht sofort mit Konsequenzen, wenn die schulischen Leistungen nicht Ihren Erwartungen entsprechen. Ermunterung ist gut, Druck dagegen kontraproduktiv.
Zugegeben, in unserer auf Leistung getrimmten Gesellschaft ist es schwer, locker zu bleiben, wenn der Schuleinstieg vielleicht etwas holprig beginnt. Aber eine gewisse Gelassenheit ist immer noch die beste Methode, um Stress bei Eltern und Kindern klein zu halten. Wenn Ihnen das gelingt, dürfen Sie sich selbst ein gutes Zeugnis ausstellen!