Nö, dem geb ich keine Hand!
Haben Sie auch schon von dem Restaurantbesitzer in Italien gehört, der Familien fünf Prozent Rabatt gewährt, wenn deren Kinder sich während des Essens wie Menschen benehmen, die von zivilisierten Wesen abstammen? Wenn sie beispielsweise keine Tomatensauce großflächig auf der Tischdecke verbreiten, keinen Nudelweitwurf quer durchs Lokal üben und keine wilden Verfolgungsjagden zwischen den anderen Gästen veranstalten. Stattdessen während des Essens am Tisch sitzen, das Besteck benutzen und sich in Zimmerlautstärke unterhalten. Mit seinem Ansatz „Belohnung statt Strafe“ könnte der italienische Wirt Erfolg haben. Besonders interessant an dieser Geschichte ist, dass der Wirt nicht die Kinder direkt belohnt, etwa durch Süßigkeiten, sondern sich mit seinem Rabattversprechen an die Eltern wendet. Schließlich sind sie es, die dadurch Geld sparen. Und letztlich sind sie es auch, die für das Benehmen ihrer Kinder verantwortlich sind.
Aber was sind gute Manieren überhaupt? War es bis in die Siebzigerjahre noch üblich, dass Mädchen zur Begrüßung eines erwachsenen Besuchers einen Knicks und Jungs einen Diener machten, begnügen sie sich heute oft nur noch mit einem ins Zimmer gerufenen „Hallo!“. Handgeben? Fehlanzeige. Durften Kinder früher nach dem Essen erst aufstehen, wenn alle sich vom Tisch erhoben, wird das heute in vielen Familien sehr viel lockerer gehandhabt. Mussten Kinder früher still sein und schweigen, wenn Erwachsene sich unterhielten, ist Dazwischenquatschen heute fast normal. Andere Zeiten, andere Sitten. Unser gesamter Erziehungsstil ist liberaler und kindgerechter geworden und das ist auch gut so. Dennoch ist und bleibt es wichtig, Kindern Manieren beizubringen, denn spätestens im Erwachsenenleben geht es nicht mehr ohne. Allerdings ist es bis dahin ein weiter Weg.
Wie heißt das Zauberwort?
„Chill!“ Ähhh, ja, das auch, zumindest wenn es nach unseren Kids ginge. Aber gab es da nicht noch ein anderes? Irgendwas mit „Bitte“? Aber warum braucht man denn überhaupt dieses lästige „Bitte“? Ganz einfach: Weil ein „Bitte“ es dem Gegenüber viel leichter macht, einen geäußerten Wunsch zu erfüllen – und sei es nur der nach einem weiteren Gummibärchen. Als Erwachsener kann man schließlich auch nicht mehr mit dem Fuß aufstampfen und ein trotziges „will aber!“ brüllen. Ebenso verhält es sich mit dem Bedanken. Es ist viel mehr als eine reine Höflichkeitsfloskel, denn es zeigt, dass das Gegenüber wertgeschätzt wird. Und dass es eben keine Selbstverständlichkeit ist, wenn Mama ein Eis spendiert oder Papa fein säuberlich alle Buntstifte spitzt.
Manieren sind also keine lästigen Pflichten, sondern wichtige Sozialkompetenzen. Sie erleichtern das friedliche Miteinander, vermitteln Respekt vor den Mitmenschen und unterscheiden uns damit zum Beispiel von Hägar, dem Schrecklichen.
Wer hat´s erfunden?
Bleibt also nur noch die Frage, wie man Kindern gutes Benehmen beibringt? Tjaaaaa, liebe Erwachsene, jetzt müsst ihr ganz tapfer sein. Denn die richtige Antwort lautet: durch das eigene Vorbild. Wer selbst vor der Glotze auf dem Sofa flätzt und dabei mit der Gabel Essen in sich hineinschaufelt, wird schwerlich von seinen Kindern gute Tischmanieren erwarten können. Wer an der Supermarktkasse seinem Vordermann den Einkaufswagen in die Fersen rammt, ohne sich dafür zu entschuldigen, muss damit rechnen, dass der Nachwuchs es mit dem Bobbycar ähnlich macht. Wiederholt sanfte Hinweise und Erinnerungen helfen ebenfalls ungemein. Gerade kleine Kinder denken nicht von alleine daran, sich für ein Geschenk zu bedanken, man muss es ihnen sagen. Gutes Benehmen gehört nämlich nicht zu unserem genetischen Erbgut, wir müssen es erlernen.
Aber es lohnt sich.